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An dieser Stelle erscheint von Zeit zu Zeit ein Bericht, mal lustig mal nachdenklich, aus der Geschichte der Museumseisenbahn.

Heute:           Die Sache mit dem Bart
                        




Die Sache mit dem Bart

Bei manchem erzählten Witz hört man, dass er so alt sei, dass er schon einen Bart hat. Da hilft schon mal eine Verjüngungskur und man erkennt den Witz nicht wieder. Das ist aber sehr mühselig. Man muss alles umschreiben, neue Spannungsmomente aufbauen, austesten ... Bart ab? Sehr, sehr kompliziert das Ganze. Aber es geht auch einfacher:

September 1985, es ist Samstag früh um ein Uhr. Leichter Herbstnebel liegt im Aw Nürnberg. Hier stehen die Fahrzeuge für die Jubiläumsparade. Irgendwo ist auch die Meldestelle, wo sich alle Betriebspersonale einfinden müssen. Noch schlaftrunken stolpert man nach der Registierung durch das Gelände des Aws. Wo zum Teufel ist das Gleis auf dem die 74 1192 stehen soll. Mein Meister hat es sich einfach gemacht. Ich habe die Schlüssel der Lok bekommen und kann mit dem Anheizen und Abschmieren beginnen, während er in der Kantine noch ein Pläuschchen hält. Das ist mir aber ganz angenehm, so ständig unter Kontrolle zu arbeiten, macht auch keinen Spaß. Endlich finde ich das Gleis auf dem die 74er mit ihren Abteilwagen steht. Also rauf auf die Trittstufen und die Maschine aufgeschlossen. Die Tasche mit der Verpflegung wird an den Haken gehängt und dann die Vorhänge an die Seite geschoben und alle Luken auf. Nein, nicht die Waschluken, die Fenster sind gemeint.
         
Und jetzt kann's los gehen. Mit der Taschenlampe leuchte ich nach dem Wasserstand. Das sieht gut aus. Aber schauen genügt nicht, die Ventile werden in die Betriebstellung gelegt und der untere Ablass kurz geöffnet: Es plätschert unter der Lok und die Höhe im Schauglas ändert sich nicht. Dann ist ja reichlich Wasser im Kessel. Ich schaue auf die rechte Seite des Führerstandes. Das ist zwar jenseits der Demarkationslinie, aber kontrolliert werden muss trotzdem. Der Regler ist verschlossen, die Steuerung liegt auf Mitte und die Zylinderhähne sind offen. Dann ist ja alles im grünen Bereich. Ich kann mich nun um das Feuer kümmern. Die Markottytür wird geöffnet und die Rohrwand und die Stehbolzen begutachtet. Da kann man nicht meckern, alles so wie es sein soll. Nur mit dem Rost, da stimmt was nicht. Da liegt nämlich nichts drauf. Weder Holz noch Kohle noch sonst etwas, von dem man sagen könnte, dass es brennbar wäre.     

Also muß ich vom Hobel wieder runter klettern und nach Holz suchen. Weit und breit ist aber nichts zu finden. Wacker wandere ich zurück zur Meldestelle. "Wie, Anheizen mit Holz? Hier wird das Feuer fränkisch entfacht, mit Stroh und Petroleum. Das steht überall im Gelände rum, braucht man nur nehmen." Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken. Aber wenn kein Holz da ist... In der Not frisst der Teufel Fliegen. Dann wird eben Stroh und Petroleum genommen. Einen ganzen Ballen habe ich ergattert. Sauschwer ist so ein Paket von einem Meter Kantenlänge. Das muss man erst einmal auf den Führerstand hieven. Durch die Feuertür passt das Gelump natürlich auch nicht. Also wird das mit Band umwickelte und gut verknotete Bündel aufgeschnürt und... die ganze Sauerei liegt vor der Feuertür. Bloß gut, dass der Meister nicht anwesend ist. Eine Viertelstunde bin ich damit beschäftigt das Stroh durch die Tür zu stopfen und anschließend den Führerstand zu reinigen, damit auch ja kein Hälmchen rumliegt. Der Meister ist da pingelig. Ach ja, Petroleum fehlt noch.       

Mit dem Zinkeimer tappere ich zur Zapfstelle und bekomme den ganzen Eimer voll. Das hätte mich stutzig machen müssen. Hat es aber nicht. Mit Schwung wird die Plörre über das Stroh geschüttet und mit einem Lappen der Eimer sauber ausgewischt. Den Lappen zünde ich an, lege ihn gut brennend auf die Schaufel, öffne die Feuertür und werfe ihn mit Schwung aber gezielt vor die Rohrwand. Sofort beginnt das Stroh zu brennen. Aus den Oberluftklappen der Markottytür dringt beißender Qualm. Ebensolcher quält sich auch aus dem Schlot. Jetzt heißt es flott handeln. Lange darf man nicht warten. Ein Strohfeuer ist zwar heftig aber kurz.   Schon schiebe ich die Schaufel in die Kohlen. Oh je, ist das Schaufelbecken bei der T12 tief. Direkt auf dem Fußboden. Mir tut heute noch der Rücken weh! Dann öffne ich die Feuertür und schon stinkt es nach versengten Haaren. Eine Stichflamme erfasst die Manneszier in seinem Gesicht.           

Instinktiv schmeiße ich die Feuertür wieder zu. Ich taste mein Gesicht ab. Alles ist heil geblieben, nur die linke Hälfte des Bartes hat sich verabschiedet. Einen Spiegel habe ich nicht, um mich anzuschauen. Für Schönheitspflege ist ohnehin keine Zeit. Kohlen müssen ins Feuer und zwar schnell. Das Prozedere wird wiederholt, diesmal aber mit Vorsicht. Es klappt, die Kohlen fangen recht bald an zu brennen Und das Schaufeln kann für längere Zeit unterbrochen werden. Jetzt ist die Zeit sich der rechten Gesichtshälfte zu widmen. Da steht der Bart noch in voller Pracht. Das sieht bestimmt komisch aus. Zwei unterschiedliche Gesichtshälften, das kommt nicht gut. Da muss was geschehen.  

Es soll ein uraltes Wundermittel geben: Hühnerdreck und Honig. Das eine soll ziehen, das andere schieben. Daher ist eines inwendig das andere äußerlich anzuwenden. Es bleibt dem Leser überlassen, welches der Mittel wo einzusetzen wäre. Und schnell wirksam sind diese Mittelchen bestimmt auch nicht. Nein, da bleibt mir nur eines übrig, die Schere im Verbandkasten. Mit chirurgengleicher Sicherheit findet die Schere ihren Weg durch das krause Gewirr um Kinn und Backe und schnibbelt die rechte Hälfte des Bartes auf die gleiche Stoppellänge wie auf der linken Seite. Die abgeschorene Wolle wird natürlich nicht in das Feuer geworfen. Der Brandgeruch ist nämlich noch immer im Führerstand präsent. 

Nun der Bart ist nachgewachsen. Spott und Häme der Kollegen habe ich letztlich auch überstanden. Aber da muss man erst mal durch.



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