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An dieser Stelle erscheint von Zeit zu Zeit ein Bericht, mal lustig mal nachdenklich, aus der Geschichte der Museumseisenbahn.

Heute:           Die Sache mit den Schneeflocken
                    oder eine besondere Nikolausfahrt



Die Sache mit den Schneeflocken
oder eine besondere Nikolausfahrt

 Der Dezember ist bei den Kindern verständlicherweise der beliebteste Monat - zu­mindest was die Feste betrifft. Wer kann sich nicht mit den Kindern so richtig freuen, wenn mit großen Kulleraugen die Geschenke ausgepackt werden? Oder wer ist nicht gespannt auf die aufgeregten Kleinen, wenn der Mann im roten Mantel das goldene Buch aufschlägt? Manch einer denkt dabei mit Wehmut an die eigene Kindheit zurück. Wehmut hin, Wehmut her. Den Kindern soll eine Freude gemacht werden. So dachten die Verantwortlichen der BSW-Gruppen in Altenbeken. Es ist die 50 Nikolausfeier nach dem Krieg, darum sollte sie etwas besonderes sein. Man wollte den Nikolaus mit einer Dampflok abholen. Die Dahlhauser P8 wurde deshalb gechartert. Es war der bislang weiteste Ausflug der Maschine nach ihrer Aufarbei­tung. Eine Mannschaft sollte die Lok hinüberführen und die andere Mannschaft sie zurückbringen. Während das erste Team schon längst unterwegs war, saß das zweite noch beim Mittagessen. Mit dem Interregio war man ohnehin dreißig Minuten vor der Ankunft der Dampflok in Altenbeken. Den dicken Wintermantel angezogen, die Mütze auf, Tasche umgehängt und los geht's. Zugbegleiter und Fahrgäste haben schon merkwürdig auf die beiden Schwarzen geschaut. Die Bahn AG ist diesmal pünktlich, und dreißig Minuten vor der Ankunft der Dampflok erreicht der Interregio den Bahnhof Altenbeken. Leider setzt Nieselregen ein, und es ist etwas neblig. Vom berühmten Viadukt ist kaum was zu erkennen.

Die beiden Schwarzen gehen zum Rotkäppchen. Hier im Dienstraum ist es schön warm. "Wo kann denn die Lok Wasser nehmen?" wollen sie wissen. Der Aufsichts­beamte weiß es auch nicht so genau. Aber mit einem der Festorganisatoren wird ein geeigneter Hydrant gefunden. "Ihr wollt die Lok noch drehen?" fragt der Aufsichts­beamte.  "Da müsst ihr euch nach der Veranstaltung aber beeilen. Um 18:00 Uhr be­ginnen Umbauarbeiten an einer Weiche des Gleisdreiecks." Den Schwarzen schau­ert es bei dem Gedanken an eine Rückfahrt Tender voraus. "Wie lange wird die Ni­kolausgeschichte dauern?" "Etwa eine halbe Stunde." meint das Rotkäppchen. Die Schwarzen sind beruhigt. Sie werden noch beruhigter als der Dienststellenleiter mit einem Telegramm erscheint: "Die Baumaßnahme ist um eine Woche verschoben." Langsam wird es Zeit, dass die Lok kommt. Der Nieselregen geht allmählich in Schneeregen über. Plötzlich tönt es aus dem Funk: "Wahnsinn, dein Name ist Dampflok!"  Dem Fahrdienstleiter ist der Sonderzug von Paderborn schon gemeldet. Es dauert nicht lang, und das typische Geräusch ist zu hören. Nur zu sehen ist lei­der noch nichts. Das Wetter ist aber auch zu schlecht.

Die Lok hält am Hydrant und nimmt erst einmal Wasser. Der Personalwechsel er­folgt. "Keine Probleme während der Fahrt, Lok ist in Ordnung." Der Heizer prüft den Wasserstand und bereitet  ein mäßiges Feuer vor. Der Lokführer beschriftet die In­dusi-Rolle. Dann geht's zur Abstellgruppe. Dort warten schon die Organisatoren. Sie haben sich etwas besonderes ausgedacht. Die Lok bekommt an die vorderen Puffer Halterungen für bengalisches Feuer angeschraubt. Die Einzelheiten der Fahrt wer­den besprochen. Nur sechshundert Meter Fahrstrecke, aber die mit Allem, was das Herz begehrt. Wichtig ist nur, dass der Wagen mit dem Nikolaus genau vor einem Redner mit Mikrofon zum Stehen kommt.

Jetzt erscheint auch der Nikolaus mit seinem Gefolge. Zwerge und Engel begleiten den alten Herrn mit dem roten Mantel. Ein geradezu friedliches Bild wie die Gruppe durch das immer dichtere Schneetreiben stapft. Schneetreiben? Ja tatsächlich, von Regen keine Spur mehr. Immer dickere Flocken wirbeln durch die Luft. Jetzt wird's gemütlich. Noch knapp eine halbe Stunde bis zur Abfahrt.          

17 Uhr. Es geht los. Ein langgezogener Pfiff und die Lok setzt sich mit den Wagen in Bewegung. Etwas anbremsen, damit der Auspuffschlag auch so richtig knallt, die Glocke angestellt, die Dampfpfeife betätigt; mehr Krach kann eine Dampflok einfach nicht machen. Dazu noch die bengalische Beleuchtung und als Clou hatte der Hei­zer kurz vor der Abfahrt sechs große Haushaltspackungen mit Briketts verfeuert, damit ein ordentlicher Funkenflug entsteht. Trotz des Lärms war ganz deutlich eine Blaskapelle zu vernehmen: "Schneeflöckchen, Weißröckchen wann kommst du ge­schneit". Die Frage hat sich ja jetzt erübrigt. Der Bahnsteig war weiß, und die Gleise waren nicht mehr zu sehen. Kann es noch was Schöneres geben als eine Nikolaus­fahrt im Schnee?

Kann einer erklären, warum es ab November zu jedem Festtag Gänsebraten gibt? Wie dem auch sei, ein Genuss ist er allzumal. Das Dampflokpersonal hatte den Ni­kolaus wohlbehalten an den Bahnsteig gebracht und harrte der Dinge, die nun fol­gen sollten. Altenbeken ist eine Eisenbahnerstadt und kaum einer, der da wohnt, hat nichts mit der Eisenbahn zu tun. So war es nicht verwunderlich, dass sich die Leute um die Dampflok scharrten. Allenthalben fiel die Bemerkung: "Weißt du noch, da­mals.." Unter den Zuschauern war wohl so mancher ehemalige Lokführer oder Hei­zer. Ein älterer Mann war schier fassungslos: "Eine P8, das es das noch gibt." Und mit fester Stimme fügte er hinzu: "Die hat mich nie im Stich gelassen!" Er wird wis­sen, wovon er sprach. Gern hätte das Lokpersonal noch mit den alten Hasen ge­plaudert und sich manchen Tipp geben lassen, aber der Zug musste das Gleis räumen und der Lotse erschien.         
Dafür, dass die Einfahrt des Nikolaus ein voller Erfolg war, sollte das Lokpersonal anschließend in der Kantine beim großen Abendessen mit Gänsebraten und Klößen teilnehmen. So etwas lässt man sich ja nicht zweimal sagen.

Nach dem Abstellen der Wagen fuhr die Dampflok ins ehemalige Bw. Es ist doch einfacher, die Drehscheibe zu nutzen, als durchs Gleisdreieck zu fahren. Zu dem ist im Bw kein Fahrdraht, so dass die Kohlen gefahrlos vorgezogen werden können. Wieder am gleichen Hydrant wie bei der Ankunft wurde die Lok abgestellt. Die Ten­derlaternen wurden für die Rückfahrt rot abgeblendet und der Heizer legte ein Ringfeuer an, nachdem er den Wasserstand noch erhöht hatte. Der Regler wurde abgeschlossen und der Vorhang zugezogen, dann gingen die Schwarzen zur Kan­tine. Bis das Abendessen kommen sollte, war noch reichlich Zeit. Zuerst mal 'ne Tasse starken schwarzen Kaffee. In Nullkommanix standen bei den Schwarzen neu­gierige Frager. Woher denn die Lok käme, ob es noch mehr davon gäbe, wie schnell könne die denn fahren? Geduldig wurde Frage um Frage beantwortet. Noch eine Tasse Kaffee. Die konnte man gut gebrauchen. Rückfahrt war sowie so erst gegen 21 Uhr und noch was. Da wird die Nacht noch lang. Es hatte noch immer nicht auf­gehört zu schneien.

Jetzt wurde der Tisch gedeckt, und die Schwarzen suchten sich einen Platz in der Ecke. Auch der Lotse gesellte sich dazu. Man sprach über Gott und die Welt bis der Lotse fragte: "Ihr seid doch ab Dortmund kundig?" Als die Frage dahingehend be­antwortet wurde, dass man überhaupt nicht kundig sei, fiel dem Lotsen beinah die Tasse zu Boden. Eine Welt brach für ihn zusammen. Er hatte gehofft, ab Dortmund einen Interregio zu bekommen, um noch am selben Abend zu Hause zu sein. Sonst muss er auswärts übernachten. Da saß er schön in der Tinte. Es gab nur eine Lö­sung: Vor Plan abfahren, und zwar jetzt. Schnell die Zustimmung eingeholt, Feuer aufgebaut und Ausfahrt.     

Adieu, du schöner Gänsebraten. Zwar hatte die Kantine als Ersatz Kotelett, Mett­würstchen und Kartoffelsalat spendiert, aber was ist das gegen Gänsebraten? Was soll's. Ab Paderborn ging der Schneefall in Regen über. Da war die Stimmung ohne­hin im Eimer, und keiner dachte mehr an Gänsebraten.